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DIE ANGESPANNTE FRANZÖSISCHE HAUSHALTSLAGE HAT SICH NOCH VERSCHLECHTERT

Die in unserer letzten DiagnosticNews-Ausgabe dargelegten Zweifel an der Einhaltbarkeit des Budgets für 2024 haben sich bewahrheitet. Das Verdikt ist gefallen. Die gerade vom französischen Statistikamt (Insee) veröffentlichte, definitive Zahl des Haushaltsdefizits 2023 von 5,5% des BIPs ist noch schlechter ausgefallen, als dies seit einigen Wochen befürchtet wurde. Mit einer Abweichung von 0,6% gegenüber dem ursprünglich geplanten Haushaltsloch von 4,9% bestehen nun völlig andere Voraussetzungen und Vorgaben, um den für 2024 angekündigten Defizitabbau auf 4,4% noch zu erreichen.

Als Begründung für diese erhebliche Degradierung werden u.a. der überraschende Rückgang des Wirtschaftswachstums im vierten Quartal 2023 und ein hieraus resultierender Steuerausfall von 7,7 Mrd. € sowie ein höher als geplanter Fehlbetrag von 11 Mrd. € bei den Belastungen der Sozialversicherung angegeben.

Damit ist auch die zwischenzeitlich von der Regierung festgeschriebene Ausgabenreduzierung von 10 Mrd. €, die das alte Budget 2024 noch retten sollte, als völlig unzulänglich zu betrachten.

Durch das hohe Defizit erleidet Frankreich einen großen Imageschaden. Es stellt die Glaubwürdigkeit seiner publizierten, auch der europäischen Kommission gemeldeten verbindlichen Planzahlen in Frage und reduziert zunehmend seine Handlungsfähigkeit. Die Einhaltung der internationalen Verpflichtungen, z.B. die finanziellen Zusagen, die für die Unterstützung des Ukraine-Krieges abgegeben wurden, könnte sich damit noch zusätzlich erschweren. Unter den großen europäischen Wirtschaftsmächten gehört Frankreich nunmehr zu den Schlusslichtern.

Die oben dargelegte Situation und die sich daraus ergebenden Konsequenzen kommen für die Prüfung durch die beiden internationalen Rating Agenturen Moody‘s & Fitch (26. April) und Standard & Poor (31. Mai) zum ungünstigsten Zeitpunkt. Bei der letzten Analyse von Moody’s erfolgte zwar keine Abstufung der französischen Kreditwürdigkeit, was dieses Mal aber nicht unbedingt wieder der Fall sein muss. Frankreich kann sich eine Verschlechterung seiner Position auf den Finanzmärkten nicht leisten. In 2024 wird ein Rekordbetrag von 280 Mrd. € aufgenommen. Eine Herabstufung der Bonität birgt die große Gefahr einer Erhöhung des Zinsniveaus und damit eines weiteren Anstiegs des bereits ins Uferlose gewachsenen Schuldendienstes. Neuere Hochrechnung gehen für 2027 von einer jährlichen Zinsbelastung von 80 Mrd. € aus.

Es geht nun aber nicht nur um die kurzfristige Erstellung eines neuen Budgets für 2024, sondern auch um eine mittelfristige, bis 2027 geltende Haushaltsplanung, die ebenfalls durch die neuen Erkenntnisse stark beeinträchtigt wurde. Dabei ist daran zu erinnern, dass für Präsident Macron die Rückführung des Budgetdefizits auf das Maastricht-Kriterium von 3% Ende 2027 ein absolutes Postulat darstellt. Die Erreichung dieses Zieles, das laut einer Erklärung von Wirtschaftsminister Bruno Le Maire unmittelbar nach Bekanntgabe der obigen Defizitmisere weiterhin eingehalten werden soll, dürfte nunmehr erheblich bedroht bzw. nur mit einem völlig anderen Staatsausgabenvolumen zu erreichen sein. Der Jahresbericht des Präsidenten des französischen Rechnungshofes forderte hierzu bereits bis 2027 einen Kostenabbau der Staatsausgaben von 50 Mrd. €.

Für das neue, berichtigte Budget 2024 kann kein zusätzliches Wachstum unterstellt werden, wobei die noch offiziell bestehende Wachstumsplanung für 2024, die bereits Anfang des Jahres von einem ursprünglichen Zuwachs von 1,4% des BIPs auf 1% reduziert wurde, sehr optimistisch erscheint. Eine Erhöhung der Einnahmenseite durch Steuererhebungen wurde von Regierungsseite ebenfalls kategorisch abgelehnt.

So kann eine Defiziteingrenzung nur über eine Rückführung der Ausgabenseite erfolgen. Ein schwieriger politischer Weg. Aber Frankreich lag in 2022 mit einer staatlichen Ausgabequote von 58,3% gegenüber einem Durchschnitt in der EU von 49,2% weit vorne an der Spitze.

Mehr als die Hälfte der öffentlichen Ausgaben werden für das Sozialwesen („protection sociale“) getätigt, wobei der größte Posten die Pensionsausgaben betrifft. Im Vergleich zum europäischen Durchschnitt verwendet Frankreich hierfür 14,4% des BIPs gegenüber 11,9% der Mitgliedstaaten. Die 2,5% französischen Mehraufwendungen stellten auf der Basis 2022 einen absoluten Betrag von 65 Mrd. € dar.

Der Preis für das französische (Sozial-) Modell ist hoch und berechtigt zu der Frage, inwieweit es unter den gegebenen Umständen aufrecht erhalten bleiben kann. Eine Problematik, die auch die neueste Bucherscheinung von Wirtschaftsminister Bruno Le Maire „La voie française“ (der französische Weg) theoretisch behandelt. Ob ein solcher Paradigmenwechsel politisch denkbar bzw. umsetzbar wäre, steht jedoch auf einem anderen Blatt.

Die neuen finanziellen Gegebenheiten müssen nun politisch umgesetzt werden. Auch hier handelt es sich um einen sehr ungünstigen Zeitpunkt. Präsident Macron möchte die gerade anlaufende Kampagne für die Europawahlen nicht zusätzlich mit einer Diskussion über die Finanzlage der Nation belasten. So käme also frühestens ein Termin im Juni in Frage. Noch besser wäre es für die Regierung, wenn die parlamentarischen Auseinandersetzungen hierzu bis nach der Beendigung der Olympischen Spiele, von denen sich die Exekutive und insbesondere Emmanuel Macron viel Imagegewinn und wirtschaftliche Zusatzeinkünfte versprechen, hinausgeschoben werden könnten.

Wie weit dies möglich und opportun erscheint, werden die nächsten Wochen zeigen. Ein Handlungsbedarf besteht auf jeden Fall und kann auch nicht beliebig gestreckt werden. Die finanzielle und wirtschaftliche Situation hat sich nicht unwesentlich verschoben und wird automatisch konkrete Anpassungsmaßnahmen notwendig machen.

Wir werden Ihnen weiterberichten und wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre.

Ihre DiagnosticNews-Redaktion

Dr. Kurt Schlotthauer

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