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DIAGNOSTIC NEWS N°218

Die (beinahe) aussichtslose Mission des französischen Ministerpräsidenten. Die französischen Parlamentarier spielen verrückt. Die Nationalversammlung gleicht einem Jahrmarkt, der völlig außer Kontrolle geraten ist. Die französische Bevölkerung ist dabei, auch das bisschen noch verbliebene Vertrauen in ihre gewählten Vertreter zu verlieren. Nach einer von Odoxa-Backbone Consulting durchgeführten Umfrage bedauern 85% der Befragten, dass ihre Stimmabgabe bei der letzten Wahl nicht respektiert worden war und 82% von ihnen zeigen deutlich ihr Misstrauen gegenüber den bestehenden Parteien.

Das politische Frankreich hat seit der urplötzlichen, nicht nachvollziehbaren Auflösung des Parlaments Ende Juni 2024 n     ach der anschließenden Wahl nicht mehr sein Gleichgewicht gefunden. Statt klare parlamentarische Verhältnisse zu erhalten, entstanden drei Blöcke aus 11 Parteien, wovon keiner der drei Blöcke über eine regierungsfähige Mehrheit verfügt und nur die rechtsradikale Le Pen Partei (RN) eine geschlossene Einheit darstellt. Weder die dem Regierungslager nahestehenden Vereinigungen noch die dem linken Flügel unter Jean-Luc Mélenchon zuzuordnenden Parteien („Front Populaire“) sind sich einig in ihren Zielen bzw. Vorgehensweisen.

So also repräsentiert sich der politische Flickenteppich der neuen französischen Nationalversammlung, deren Zustimmung Michel Barnier bedarf, um sein Regierungsprogramm umsetzen zu können. Ein nahezu aussichtloses Unterfangen, wie sich noch später herausstellen wird.

Das zunächst absolut vorrangige Ziel der neuen Regierung ist es, sich von diesem Parlament für 2025 ein Budget genehmigen zu lassen, das berechtigte Aussicht hat, das Haushaltsdefizit bis zum Ende dieser Periode auf 5% zurückzuführen. Es ist dabei daran zu erinnern, dass Frankreich derzeit für Ende 2024, zu Anfang des Jahres noch völlig ausgeschlossen, auf ein Haushaltsloch von 6% und mehr zusteuert.

Der nun der Nationalversammlung zur Diskussion und Genehmigung vorliegende Entwurf des Budgets 2025, der diesem Ziel Rechnung tragen soll, sieht Einsparungen in Höhe von 60 Mrd. € vor. Davon sollen 20 Mrd. € durch Steuererhöhungen und 40 Mrd. € durch Kostenreduzierungen bei den Ausgaben des Staates sowie bei den Kollektivitäten gedeckt werden.

Es war klar, dass die Vorschläge der Regierung auf massive Kritik bei den verschiedenen Parteien stoßen würden. Dass die Diskussion darüber jedoch solche Ausmaße annehmen würde, ist nicht nachvollziehbar. Aus den von der Regierung geforderten 20 Mrd. € Steuermehreinnahmen wurden rechnerisch 60 Mrd. Es erübrigt sich in dieses Wirrwarr von unrealistischen, extrem wirtschaftsfeindlichen Steuervorschlägen einzusteigen. Diese sinnlosen, aber auch wenig verantwortungsbewussten Diskussionen, die insbesondere durch die extremen Linksparteien der „Front Populaire“ angeheizt wurden, führten u.a. dazu, dass der Zeitrahmen gesprengt und die Wiederaufnahme auf den 5. November vertagt wurde. Es liegt bereits heute relativ klar auf der Hand, dass unter diesen Umständen der von der Verfassung vorgeschriebene Zeitplan nur sehr schwer einzuhalten ist, um in diesem eine vertretbare Kompromisslösung für die Verabschiedung des Budgets 2025 zu erreichen. Die sich immer mehr abzeichnende „Radikallösung“, d.h. die Anwendung des als undemokratisch angesehenen Artikel 49.3, die auch Michel Barnier gerne vermeiden möchte, rückt damit näher.

Für den Ministerpräsidenten ist ein solcher Ausgang nicht allzu überraschend. Er kann sich damit abfinden, soweit sich aus dem Gebrauch von Artikel 49.3 nicht gleichzeitig ein Misstrauensantrag anschließt, der von einer Parlamentsmehrheit getragen wird. Danach sieht es im Augenblick nicht aus, auch wenn Äußerungen aus den Reihen der extrem Rechten („RN“) dies nicht vollkommen ausschließen.

Michel Barnier, der Herrscher ohne eigene Truppen, der nunmehr seit dem 5. September im Amt ist, erweckt zunehmend den Eindruck, dass er trotz der größer gewordenen Schwierigkeiten einen Kompromiss zu finden, nicht amtsmüde wird. Im Gegenteil, er hat bereits seine Reformpläne für die Zeit nach den Budgetverhandlungen vorgelegt, die er in den zwei verbleibenden Jahren – eine äußerst kurze Periode – in seiner Art und seinem Stil erfolgreich durchführen will. Ob ihm dies gelingt?

Aber in der Zwischenzeit heißt es für ihn, die Finanzlage von Frankreich so schnell wie möglich wieder in einigermaßen normale Bahnen zu leiten und die bisherige maßlose Ausgabenpolitik zu stoppen. Sicherlich kein einfacher Weg. Zu oft wurde darüber bereits berichtet, dass Frankreich in der EU über die höchste Staatsausgabenquote (58% des BIPs) verfügt und gleichzeitig aber auch zu den Hochsteuerländern zu zählen ist.

Das Budget 2025 ist nur ein erster dringender Schritt. Die Ausgabenkürzungen im Haushalt müssen auch in den nächsten Jahren weitergehen, um die neue Zielvorgabe, ein Haushaltsdefizit von 2,9%, die in der Zwischenzeit von ursprünglich 2027 auf 2029 verschoben wurde, zu erreichen.

Gleichzeitig darf aber auch der gigantische Schuldenberg, das Korrelativ aus der permanenten Unterdeckung des Haushaltsbudgets, nicht vergessen werden. Der derzeitige Stand von 113% des BIPs, der in absoluten Zahlen mehr als 3.000 Mrd. € darstellt und sich leider in den Folgejahren automatisch noch erhöhen wird, ist nicht mehr finanzierbar bzw. nur noch bei astronomischen Zinsbelastungen. Die internationale Ratingagentur Moody hat gerade mal wieder hierzu ihr Verdikt ausgesprochen. Zwar blieb Frankreich von einer Degradierung seiner Note verschont. Es blieb unverändert bei der Einstufung von Aa2, wie im Frühjahr 2024, jedoch wurden die französischen Perspektiven als negativ angesehen – damit ist das Tor für weitere Abstufungen geöffnet. Frankreich bezahlt teuer für seinen Schuldendienst, der sich Ende 2027 unter den derzeitigen Prämissen auf 100 Mrd. € belaufen wird.

Frankreich ist sowohl politisch, aber insbesondere aufgrund seiner prekären Finanzlage in sehr unruhige Gewässer geraten. Eine Herkulesaufgabe für den neuen Ministerpräsidenten, die durch die geopolitische Lage nicht erleichtert wird.

Wir werden über den weiteren Verlauf informieren und wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre.

Ihre DiagnosticNews-Redaktion

 

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