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Mehr erfahrenDie diametral entgegengesetzten politischen Ziele der linksradikalen Volksfront unter dem populistischen Mélenchon und der rechtsradikalen RN (Le Pen) standen von vorne herein einer möglichen Einigung entgegen. Die wirtschaftliche Notwendigkeit für das Zustandekommen eines von Ministerpräsidenten Michel Barnier eingebrachten Budgets, dessen Hauptziel einer Defizitbegrenzung von 5% Ende 2025 galt, wurde von beiden Parteien nicht geteilt. Darüber hinaus stieß Michel Barnier auch auf Schwierigkeiten hinsichtlich einiger Maßnahmen bei den Parteien des alten Regierungslagers. Sein System, keiner Diskussion aus dem Wege zu gehen und jede mögliche Kompromisslösung auszuloten, trug zu einer beachtlichen Verlängerung des Vorhabens bei, war aber leider ohne Erfolg.
Dem Regierungschef wird schließlich nichts anderes übrigbleiben, als den allgemein verhassten Artikel 49 Absatz 3 nun doch einzusetzen, um das Budgetvorhaben ohne parlamentarische Zustimmung noch zu retten. Für dieses Szenario haben sowohl die linksradikale Volksfront unter Mélenchon als auch die Le Pen Partei (RN) ihren Misstrauensantrag angekündigt. In Anbetracht der Anzahl der Abgeordneten der beiden Blöcke im Parlament würde dies zum Sturz der Regierung Barnier führen. Bisher war immer davon ausgegangen worden, dass ein gemeinsames Vorgehen der beiden Erzfeinde auszuschließen sei. Diese Konstante ist leider nicht mehr gegeben.
Marine Le Pen hat ihre bisherige Position weiter radikalisiert. Dabei spielt auch das am 24. November 2024 abgeschlossene Gerichtsverfahren gegen sie eine ganz entscheidende Rolle. Le Pen ist in dem Prozess angeklagt, Mittel der EU für die fiktive Anstellung von Parteiassistenten der RN für Arbeiten im Europaparlament verwandt zu haben. Der Staatsanwalt fordert außer Freiheits- und hohen Geldstrafen die Verhängung eines fünfjährigen passiven Wahlrechtverbotes mit sofortiger Exekution. Die Urteilsverkündung ist auf den 31. März 2025 festgelegt. Die mögliche Verurteilung bei einem hypothetisch sofortigen Verbot des passiven Wahlrechts von Le Pen hat Entsetzen unter den Parteimitgliedern der RN ausgelöst und das Risiko für einen schnellen Sturz der Regierung Barnier weiter erhöht. Die im letzten Moment doch noch erfolgte Rücknahme der geplanten Erhöhung des Stromtarifs für 2025, eine der wesentlichen Forderungen von Marine Le Pen, hat ebenfalls nicht zum Einlenken der RN-Partei geführt.
Ganz erstaunlich ist auch die Haltung der französischen Bevölkerung. Nach einer Umfrage von Odoxa-Backbone Consulting für die Zeitung Le Figaro befürworten 54% der Franzosen einen Misstrauensantrag gegenüber der Regierung.
Es ist letztlich gleichgültig, wie Marine Le Pen sich entscheiden wird. Eines ist schon heute klar: Der offen ausgetragene politische Kampf um das Überleben der Regierung hat die angeschlagene Finanzlage Frankreichs bereits stark in Mitleidenschaft gezogen.
Als erstes Anzeichen hierfür ist die Mitte letzter Woche plötzlich eingetretene Verteuerung der französischen Staatsanleihen anzuführen. Der Spread, d.h. die Differenz zwischen dem für deutsche Staatsanleihen (Bund) und den vergleichbaren französischen Obligationen zu zahlenden Zinssatz liegt nunmehr auf einem seit Jahren nicht mehr erreichten Rekordniveau von 89 Punkten. Durch den Spread wird auf den Kapitalmärkten das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit eines Landes zum Ausdruck gebracht – offensichtlich hat Frankreich dabei eine folgenschwere Niederlage einstecken zu müssen.
Es ist bekannt, dass die französische Finanzlage seit Jahren äußerst angespannt ist. Die unverhältnismäßig hohen Staatsschulden stellen für niemanden ein Geheimnis dar. Dieser Schwachstelle und ihrer Eindämmung bzw. Reduzierung, wurde jedoch nie die ihr gebührende oberste Priorität eingeräumt. Die bisherige Präsidentschaftsperiode von Emmanuel Macron (7 Jahre) gibt hierzu genügend Beispiele.
Durch die „völlig unerwartete“ Ende 2023 eingetretene Verschlechterung des Haushaltsdefizits auf -5,5% statt der budgetierten -4,4% und auf dieser Zahl aufbauend, ein völlig unrealistisches Defizit von -4% für das Budget 2024 zugrunde zu legen (die derzeitigen Erwartungen für 2024 liegen bei über -6%), ließen die Wellen hochschlagen. Sie waren u.a. mitschuldig für die sich anschließenden politischen Auseinandersetzungen, die letztendlich zur problematischen Parlamentsauflösung und dem derzeitigen politischen Chaos führten. Spätestens seit dieser Zeit ist der Elan aus der staatlich gelenkten französischen Wirtschaftsdynamik verschwunden. In Vergessenheit geraten ist Frankreich als beliebtester Investitionsstandort in Europa und auch die vielversprechenden Pläne, die die Reindustrialisierung des Landes forcieren sollten.
Es ist still geworden auf dem „attraktiven französischen Wirtschaftsmarkt“, wobei sicherlich auch viele zwischenzeitlich international eingetretene Veränderungen und geopolitische Umwälzungen entscheidend mitbeigetragen haben.
Frankreich ist auf dem harten Boden der Tatsachen angekommen und muss nun für seine Sünden in der Vergangenheit und seine expansive Schuldenpolitik zahlen. Dieser Preis wird sich nun noch um einiges erhöhen. Zu den bekannten Finanzproblemen kommt noch eine Staatskrise, deren Folgen und Ausmaß im Augenblick nicht überschaubar sind.
Frankreich geht einer sehr ungewissen Zukunft entgegen, worüber sich ein Großteil der Bevölkerung noch immer nicht im Klaren ist.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Angehörigen eine besinnliche Vorweihnachtszeit und frohe Festtage.
Ihre DiagnosticNews-Redaktion